13. – 21. 7. 2018 – Bergell Durchquerung

13.07.2018: Maloja – Fornohütte

2016 wollten wir bereits das Bergell durchqueren. Die Route war geplant, die Ziele definiert. Aber leider kam es anders; eine Verletzung führte zu einer Planänderung und einer (dennoch sensationellen) Bergell „Light-Version“.

Zwei Jahre sind vergangen. Wir 4 haben das Bergell nicht vergessen – zu schön ist es hier mit den grandiosen Granitwänden, den unbeschreiblichen Gesteinsfarben, der Blütenpracht. Wir ziehen den nur beiseitegelegten Tourenplan aus der Schublade, modifizieren ihn geringfügig und los geht´s am Freitag den 13. Ein Glückstag!

Hallo Maloja, hallo Fornotal. Auf geht´s direkt zur spektakulär über dem Gletscher liegenden Fornohütte. Vorbei an Türkenbund, Tüpfelenzian, ins Tal tosendem Schmelzwasser – zuletzt steil über die Gletschermoräne nach oben. Wir beziehen zwei schnuckelige Doppelzimmer und bekommen Pizoccheri, Fleisch mit wat dabei und Dessert zum Abendessen. Wir sind angekommen. Im Bergsteigerparadies!

Am nächsten Tag lassen wir es ruhig angehen und besteigen den Monte Rosso vor der Haustür der Fornohütte. Der Weg ist in Fleißarbeit des Hüttenwirts (danke Beat und Team!) top eingerichtet mit Markierungen, Ketten, Stufen im Gelände. Oben geht es genüsslich über I-er Blockgelände (feinster Granit) auf den Gipfel. Die Aussicht ist phänomenal und wir können einen Teil unseres morgigen Weges einsehen und planen.

 

15.07.2018: Fornohütte – Monte Sissone – Rifugio Ponti

Vor dieser Tour habe ich etwas Bammel. In der Nacht hat es geregnet, es ist recht warm, wir müssen über einen steilen Gletscher und ich hoffe inständig, dass die verbliebenen Schneebrücken noch solide sind und unser Gewicht tragen.

Unser Ziel ist das Rifugio Ponti auf der italienischen Seite. Der Weg ist lang (ca. 12 km, 1500 Hm) – deshalb starten wir früh um 4, steigen von der Hütte ab und suchen uns einen Zugang auf den Forno-Gletscher. Dort geht es nur mit Steigeisen bewaffnet Richtung Süden. Der Gletscher ist völlig aper – wir machen gute Meter. Kurz nach 6 biegen wir Richtung Osten und stehen schließlich vor dem imposanten Gletscheranstieg Richtung Passo Sissone. Es ist steiler als ich dachte. Das Eis am Fuß des Anstiegs ist ein einziger Morast; hier ist nichts gefroren…. Wir seilen an und steigen Richtung Passo. Anstrengend ist es und hier und da öffnen sich gewaltige Spalten. Aber Helli navigiert uns gezielt und ohne Zaudern durch das anspruchsvolle Gelände. Er liest den Gletscher richtig; wir vertrauen seinem guten Gespür!

Und dann sind wir endlich oben am Übergang vom Eis in den Fels – am Monte Sissone. Hübsch ist der Gipfel nicht; vielmehr ist es ein einziger Granit-Blockhaufen. Ohne Steigeisen suchen wir uns den Weg über den Südostgrat nach unten. Die Kraxelei ist mit 2a angegeben – das kommt hin. Bevor wir den tiefsten Punkt des Grats (Passo di Chiareggio) erreichen, können wir einfach auf das Schneefeld abklettern. Das Schneefeld ist ein Segen – denn so können wir gute 100 Hm schnell abgleiten, bevor wir wieder auf blockiges und stellenweise sehr brüchiges Gelände stoßen.

Laut Karte sollten wir bei 2800 Hm auf „den Weg“ (via Roma) stoßen. Vor unserem geistigen Auge tut sich ein klar ersichtlicher Wanderweg auf. Aber wir können nichts erkennen. Was wir erst später realisieren: der Weg ist erstens weiter unten (ca. 2650 Hm) und geht komplett über Blockgelände. Von oben ist somit nix zu sehen – nur wer von Ost nach Südwest geht kann die üppigen Markierungen nicht verfehlen….

Wir orientieren uns am Bivaco Kima das sich westlich des Monte Pioda befindet und navigieren uns in diese Richtung. Und so stoßen wir schließlich auch auf „den richtigen Weg“. Es geht nochmals bergab und wieder steil bergauf (leichter (Kletter)Steig, versichert) über den Btta Roma und dann nochmals ca. 1h bergab zum Rifugio Ponti. Wir sind 11.5h unterwegs. Ein langer Tag! Egal – der nächste Tag ist ein Ruhetag mit nix, nada, niente!

 

17.07.2018: Rifugio Ponti – Monte Disgrazia

Wir haben uns den Monte Disgrazia als Gipfelziel ausgeguckt. Respekt haben wir! Aber wir wollen es dennoch wissen. Wir starten wieder früh, da es nach wie vor sehr warm ist. Um 4 Uhr stapfen wir mit Stirnlampen bewaffnet Richtung Moräne und gewinnen schnell an Höhe. Der Weg auf dem Gletscher ist logisch – wir halten uns auf der westlichen Seite und queren oben nach Ost Richtung Monte Disgrazia. Eine steile, noch mit Schnee gefüllte Rinne bringt uns auf den Grat auf dem wir Richtung Gipfel einschwenken. Schöne, stellenweise ausgesetzte Granitkraxelei erwartet uns. Und ein zapfiger Wind, sobald wir die Nase über den Grat strecken. Und dann stehen wir vor einer Firnflanke mit „Eisapplikationen“. Die Seilschaft vor uns braucht ein bisschen Zeit um das Stück mit einer Eisschraube zu sichern – gefolgt von einem 20m runout. Unser Mut wird von dem eisigen Wind davongeweht! Wir kehren um, weil uns das was da noch vor uns liegt den Schneid abkauft und weil wir vom Wind mittlerweile erbärmlich zittern.

Der Abstieg ist dennoch spannend mit kurzer Abseilpassage und wieder zurück auf den mittlerweile sehr weichen Gletscher. Trotz fehlendem Gipfel sind wir zufrieden mit dem Tag, den Eindrücken und den gemeisterten Schwierigkeiten.

 

18.07.2018: Rifugio Ponti – Passo di Cameraccio – Passo Val Torrone – Rifugio Allievi

Und wieder scheint die Sonne! Der Weg führt uns heute auf dem Via Roma zum Rifugio Allievi. Vor uns liegen ca. 10 km Wegstrecke und in Summe 1000 Hm. Wir gehen den Tag gemütlich an, machen viele Fotos, bleiben oft stehen und lassen uns von der Granitwelt beeindrucken. Die Berge sind spektakulär, das Panorama sensationell (wir sehen in der Ferne sogar das Monte Rosa Gebiet). Es fehlen die Worte; aber dafür gibt es ja die Fotos.

 

19.07.2018: Rifugio Allievi – Passo di Zocca – Capana da l´Albigna

Wir wollen wieder zurück in die Schweiz; unser Auto wartet nämlich an der Seilbahnstation zum Albigna-Stausee. Ob wir über den Passo di Zocca gehen können/sollen haben wir mehrmals hin und her diskutiert. Die Empfehlung auf der Homepage der Albigna Hütte rät aufgrund starker Ausaperung von diesem Weg ab. Wir treffen zwei Schweizer die den Pass gerade in umgekehrter Richtung gegangen sind und holen uns ein paar Infos ein. Es sei nicht so schlimm. Brüchig ja, einfach keine schöne Kletterei, aber machbar. Somit beschließen wir diesen Weg zu versuchen.

Der Anstieg auf der Allievi-Seite ist gut markiert (rote Markierung) und es geht über Blockwerk recht steil auf den Passo (2750m). Es ist schon loses Zeug dabei – aber weniger wild als gedacht. Auf der anderen Seite steigen wir 80 Hm auf dem Gratrücken ab und queren an einem Steinmann scharf rechts in eine brüchige Rinne. Die ist etwas nass und rutschig, plus es bewegen sich auch große Platten gerne mal unter den Füßen. Ich sichere Helli mit dem Seil und er kundschaftet den besten Weg für uns aus. Schließlich einigen wir uns darauf eine Bandschlinge zu opfern und 20m direkt abzuseilen. Ein wenig müssen wir noch in unangenehmen Gelände abklettern bis wir auf ein steiles Schneefeld gelangen auf dem wir komod in das Gletscherbecken absteigen können. Über 2 Moränen gelangen wir auf den aperen (und mit viel Blockwerk bedeckten) Albigna-Gletscher der uns Richtung Norden zum Lägh da l´Albigna führt.

Eigentlich dachte ich, dass wir die Schwierigkeiten bereits hinter uns haben. Aber weit gefehlt! Wir lassen uns auf die ostseitig gelegene Moräne (ver)leiten und stehen auf einmal vor einem glatten Eisabbruch, den wir von unserer Richtung aus nicht einsehen konnten. VW-Bus große Felsen rutschen gelegentlich die Flanke hinab und eigentlich wollen wir genau dort wo sie einschlagen vorbei gehen. Keine gute Idee. Wir suchen uns einen sicheren Weg weiter unten und stehen schließlich auf der Westseite des Gletschertors. Irgendwie müssen wir jetzt noch über den Gletscherfluss der ordentlich Wasser führt. Helli geht voran und springt über ein paar Felsen. Wir folgen widerwillig – aber es hilft ja nix. Irgendwie müssen wir da rüber. Ein weiter Sprung, eine Schrecksekunde und wir schaffen es alle in einem Stück und ohne nass zu werden auf die andere Seite.

Wir gehen über eine wunderschöne „Strandlandschaft“, gewinnen wieder Höhenmeter und stehen schließlich nach aufregenden 6h vor der schönen Albigna Hütte. Dort schmeißen wir erst mal die Schuhe von uns und stillen den ärgsten Durst mit Radler. Wir haben es geschafft! Wir haben unseren Tourenplan in die Realität umgesetzt. Und die war viel überwältigender als wir uns das auf dem Papier vorgestellt haben.

 

20.07.2018: Vicosoprano

Wir gönnen uns ein Hotel in Vicosoprano, gehen etwas spazieren, kaufen guten Bergkäse direkt beim Erzeuger, Essen gut und lassen die Woche vor unserem geistigen Auge Revue passieren.

Danke Bozena, Kiki und Helli für eine grandiose Hochtourenwoche.